Don’t worry, things happen - A COLD OPEN
Ursula Panhans-Bühler
Was soll schon passieren, wenn ein paar vorzeitig bezechte Jungs in ein Antikenmuseum trudeln und sich zufällig in einer Besuchergruppe verheddern? Kippt eben einer rückwärts gegen eine Vitrine und stößt - zum Entsetzen gelehrter Museumsguides - den Inhalt vom Sockel. Geistesgegenwärtig macht einer noch schnell ein Foto, bevor sie das Weite suchen. Die optische Trophäe landet in Berlin auf den Bildschirmen befreundeter Künstlerinnen - Anne-Katrin Ahrens, Sarah Bohn, Lisa Herfeldt - um wenig später auf einer ephemeren Fahne den Eingangsbereich des Salon 8 - Niklas Schechinger Fine Art - Hamburg zu durchwehen.
Dort starren Besucher in sieben leere Vitrinen, nobler anthrazitgrauer Vitrinen, makellos verglast. O.K., muss man sich eben an die Flugseidenprints halten: gegenüber der Madam auf dem ersten gibt’s noch zwei Herren auf einem zweiten am Ende der Vitrinen. Aber ist das auf dem ersten überhaupt eine Frau? Da wir die Gelehrten der Archäologie nicht in der Nähe haben, die uns über Fundort, Alter, Sex und kultische Verwendung aufklären, nutzen wir den Vorzug des Verschwimmen des Geschlechts - wahlweise: Frau mit locker sitzendem Rock und nacktem Oberkörper, um die Taille einen Gürtel geschlungen, an dem ein Dolch hängt, der genau über der Pussy baumelt, oder: Mann im selben Outfit, womöglich auch hier noch was drunter. Eindeutiger scheint die Sache auf der Fahne gegenüber: eine koboldartige Statuette , fotografisch so inszeniert, dass sie von der Seite sich uns zeigt, jedoch gespiegelt selbstbewusst sich selber sieht, von vorn mit Köpfchen auf dem Unterbauch und in einer Doppelung, die ihre Konturen leicht verschwimmen lässt, als ob sie triumphierend nachzittert auf ihrer Standkugel, die ihr die magische Kraft eines Stehaufmännchens verleiht. Die Spiegelung im Glas der Vitrine rückt beide Statuetten in konkurrierende Nähe, ohne von deren Leere verschluckt zu werden. Was nun? Das Foto der Einladungskarte führt uns zum COLD OPEN, dem Tatort zurück: Spiegelungen, im Vordergrund eines frühgriechischen Mädchens mit männlichem Arsch, im Hintergrund ein verstümmelter frühgriechischer Reiter auf einem Pferdeleibstummel in dessen Rücken Teile des Pferdevorderteils, und ein Wandpfeiler als Spiegelungsachse dazwischen. Klappt man die fotografisch hintersinnige, enantiomorphe Spiegeung zusammen, verschwindet alles, kein dritter Ort hält irgendetwas zurück.
Daher eine letzte Anmerkung zum Szenario im Salon 8. Die photographische Flucht der Statuetten aus Museumsvitrine und Privatsammlung auf fadendünne Flugseidenfahnen hält ein Moment in der Schwebe. Der Bemächtigung als Fetische entzogen, können sie, gerade in der Konfrontation, ihre Rolle als gewitztes Unterpfand spielen, um das lächerliche Spiel der Konkurrenz zu suspendieren, welches - gefangen in der Fiktion des übermächtigen Anderen - oft in sichtbare Selbstauslöschung mündet. Das Szenario der Ausstellung verschiebt konsumistisch-kannibalische Fiktionen in Museum, Galerie oder Kollektion einen Schritt zurück in einer Situation, in der die Leere, mit einem Anflug hintergründigen Humors, produktiv werden kann.
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