Bodybuilding
Birgit Effinger
Dort, wo Shopping-Flaneure sich zu West-Berliner Zeiten in die Auslagen versenken konnten, sind anstelle der einstigen Waren-Bühnen entfernt verwandte, gleichwohl verschachteltere Kompilationen von Wohnkulissen, Design und inszenierten Verheißungen getreten.
Lisa Herfeldt reagiert in ihrer aktuellen Ausstellung Bodybuilding auf die neu eröffneten Galerieräume in der Berliner Fasanen-Passage und entwirft für die Platzierung ihrer Arbeiten ein eigens angefertigtes Display mit integrierter Werkschau.
Ihre Arbeiten sind von dem analytischen Interesse für die Vor- und Verführungsweisen von Wohnvorschlägen in auflagenstarken internationalen Wohn- und Einrichtungszeitschriften geleitet, mithin jene Bildwelten, in denen sich die Träume, Wünsche, unerfüllten Sehsüchte aber auch Ideologien und Zurichtungen unserer Cocooning-Ära vorbehaltlos austoben.
Die Künstlerin hat Abbildungen dieser durchgestylten Innenräume appropriiert, in transparenten Objektkästen neu inszeniert und mit wattierten Textil-Objekten kombiniert, die in Form oder Farbe bestimme Bild- oder Einrichtungselemente aufgreifen: Mal baumeln dünne Stoffschlagen vor der Fotografie eines eleganten Treppenhauses, mal quillt ein Wulst aus dem bürgerlichen Interieur, woanders macht sich ein quietschgelbes Polster über der Aufnahme der keimfreien Industrie-Küche breit. Herfeldts bildnerische Operationen durchkreuzen spielerisch wie absichtsvoll die auf Perfektion angelegte Kulisse. Wo vorher
Architektur- und Einrichtungsstile den Raumeindruck dominierten, trifft vorgeführtes Design nun auf handgenähte Ecken und Kanten und lupenreine Oberflächen paaren sich mit konkreten, haptischen Texturen. Es ist, als ob sämtliche Wohlfühldiktate gängiger Interiordesigns am Schopfe gepackt und kritisch analytisch wie auch ästhetisch-genussvoll revidiert werden. Denn die kleinen textilen Gebilde machen in ihrer ästhetischen Annäherung buchstäblich begreiflich, dass Architektur und Raumeinrichtung nicht nur mit dem Auge, sondern auch sinnlich, mit dem Körper erfasst werden. Textilität kann so gesehen auch ganz eigene räumliche Eindrücke produzieren, die hier zudem in der Gesamtsituation zum Tragen kommen.
Lisa Herfeldt verschafft ihren Werken einen besonderen Auftritt, indem sie den Galerieraum samt Umfeld in ein Motiv verwandelt und das Prinzip der inszenierten Zur-Schau-Stellung zum Bestandteil der eigenen ästhetischen Praxis macht: Zu beiden Raumseiten erstrecken sich auf nahtlos aneinandergefügten Stoffbahnen leicht verzerrte Ansichten von dem Davor und dem Dahinter, von Schaufensterspiegelungen und Innenraum. In diese raumabbildende, wattierte Tapisserie sind Herfeldts Werke wie Knöpfe eines Polstermöbels eingebettet. Mit Flanieren ist es angesichts dieses wandfüllenden Tablaus nicht mehr getan, man muss sich zum Ganzen in Position bringen und kann sich sogar in Bodybuilding üben.
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