Posteritis
F.H. Richardson
Hier in New York City ist eine neue und verblüffende Krankheit aufgetreten. Ihr einen beschreibenden Namen zu geben, scheint eine Aufgabe zu sein, denn die einen bestehen darauf, dass sie "Color-Madoritis" heißen sollte, andere schlagen "Poster Bug" vor, während ein dritter darauf besteht, dass einfach nur "Damphool" die Krankheit am besten beschreibt.
Der Autor ist jedoch der Meinung, dass "Posteritis" die neue, seltsame Krankheit, die die Manager der New Yorker Kinos in kürzester Zeit heimsucht, besser beschreibt als alles andere.
Man muss zugeben, dass ein oder zwei ordentlich gedruckte, gerahmte Plakate die Attraktivität einer durchschnittlichen Kinofront erhöhen und dem potenziellen Kinobesucher eine Vorstellung davon vermitteln, welche besondere Art von Vergnügen ihn im Inneren erwartet. Daraus folgt jedoch nicht, dass, nur weil ein oder zwei Plakate gut aussehen, ein halbes Dutzend oder mehr die vorbeigehende Menge mit Bewunderung erfüllen oder sie dazu bringen, vom Kauf-ein-Ticketus-Krankeit angesteckt zu werden. Nein, nein, Pauline! Nicht doch! Im Gegenteil, eine mit Plakaten zugepflasterte Fassade - Plakate an den Wänden, an der Kasse, auf Staffeleien und auf Pfandbriefen, die sich über die Fassade erstrecken - bietet fast alles andere als ein angenehmes, attraktives Erscheinungsbild.
In der Welt der Vergnügungen verkündet die große Ausbreitung von Bannern fast ausnahmslos die Nebenattraktion - den Schwindel. Auf jeden Fall veranlasst eine solche Darstellung den Durchschnittsmann oder die Durchschnittsfrau dazu, sich beim Kauf einer Eintrittskarte zu fragen, ob er oder sie später Anlass haben wird, zu bemerken, dass er oder sie "angesteckt" wurde!
Der Autor hat schon früher in seinen Kolumnen darauf hingewiesen, dass es die ruhige, reiche, würdige Fassade ist, die den Passanten zum Eintreten veranlasst, nicht die grelle, mit Plakaten beklebte, billig aussehende, geschmacklose Aufmachung, ergänzt durch einen schrillen Phonographen oder einen mit Marktschreier. Wenn die Show wirklich gut ist, werden die Stammgäste das sehr bald entdecken, und der zufällige Passant wird eher eintreten, wenn die Fassade in ruhiger, reicher Weise dekoriert ist, als wenn sie mit billig aussehenden Plakaten in allen Farben des Regenbogens beklebt ist.
Der Autor hat hier in New York City, in der Fourteenth Street unweit des Broadways, sechzehn Plakate auf einmal an einer Fassade gezählt. Und das war noch nicht alles, denn zumindest in einem Fall hatten nur drei der Plakate wirklich etwas mit den Filmen zu tun, die zum Programm gehörten. Der Rest der wunderbaren Auslage war eine Lüge! Immer wieder bin ich an Fronten mit fünf, sechs oder acht Plakaten vorbeigekommen, manche an den Wänden, manche an einer quer über die Front gespannten Leine und andere auf Staffeleien. Wie schrecklich das aussah! Ob die Show im Inneren nun eine Fälschung war oder nicht, die Fassade sagte es deutlich genug! Wären diese Plakate gut und ordentlich gerahmt gewesen, unter Glas, wäre der Effekt nicht so schlimm gewesen, obwohl es selbst dann zweifelhaft ist, ob mehr als zwei Plakate auf einer Lagerraum-Theaterfassade oder mehr als vier auf einer größeren Fassade vorteilhaft eingesetzt werden können.
Eine Vervielfachung ist auch nicht nötig, da vier Plakate in der Regel die Vorstellung gut abdecken. Wie dem auch sei, das Aushängen von Plakaten zu Themen, die nicht gezeigt werden, ist ein übler Betrug, es sei denn, sie sind eindeutig als zukünftiges Programm gekennzeichnet. Kleinliche Tricks dieser Art werden dem Geschäft eines jeden Hauses im Laufe der Zeit schaden, und sie schaden nicht nur dem einzelnen Haus, sondern dem Geschäft als Ganzem.
(Auszug aus F.H. Richardson 'Posteritis' - Movin Picture World 6 (1910), S. 987)
Posteritis
F.H. Richardson
Here in New York City a new and startling disease has sprung up. Applying a descriptive name to it seems something of a task since one will insist it should be ‚Color-Madoritis‘, another will suggest ‚Poster Bug‘, while a third will insist that just plain ‚Damphool‘ best describes the malady.
The writer, however, is inclined to think that ‚Posteritis‘ fills the bill better than anything else as a descriptive term to be applied to the new, strange affliction that is rapidly fastening its fangs on New York City moving picture theater managers.
It must be admitted that one or two neatly printed, framed posters adds to the attractiveness of the average theater front, besides giving the prospective patron an idea of what particular brand of joy awaits on the inside. It does not follow, however, that because one or two posters look well, half a dozen or more are going to thrill the passing throng with admiration or cause them to be bitten by the Buy-a-ticketus-bug. Nay, nay, Pauline! Not so! On the contrary, a front plastered over with posters - posters on the walls, on the ticket office, on easels and on lien extending across the front, presents almost anything else than pleasing, attractive appearance.
In the amusement world the great spread of banners almost invariably proclaims the sideshow - the fake. At any rate such a display immediately predisposes the average man or woman to look askance and wonder when he or she buys a ticket whether or no they will, later on, have cause to remark motto voce themselves ‚stung‘!
The writer has, heretofore pointed out in the columns the fact that it is quietly rich, dignified front that predisposes the passer-by to enter; not the garish, poster-plastered, cheap-looking, tawdry get-up, supplement by a shrill phonograph or leather lunged barker. If the show is really good the regular patrons will very soon discover the fact and the casual passer-by will enter more readily if the front be decorated in quietly rich way, than if it be plastered with cheap looking posters in all the colors of the rainbow.
The writer has, here in New York City, on Fourteenth Street not far from Broadway, counted sixteen posters on one fron at one time. Nor was this all, since, in one instance at least, but three of the posters really had any connection with the films what made up the programme. The rest of the marvelous display was a lie! Time, time and again have I passed fronts carrying five, six and eight posters, some on the walls, some on a line strung across the front and others on easels. How awful it looked! Whether the show inside was a fake or not the front said it was plainly enough! Had these posters been well and neatly framed, under glas, the effect would not have been so bad, though even then it is doubtful if more than two posters can be used to advantage on any store-room theater front or more than four on a front of larger size.
Nor is there need for multiplication since four will usually cover the show pretty well. Be that as it may, the displaying of posters of subjects not being shown, unless plainly labeled as future programme, is a rank swindle. Petty tricks of this kind will injure the business of any house in course of time and not only will it hurt the individual house but it will injure the business as awhole.
(Excerpted from F.H. Richardson ‚Posteritis‘ - Movin Picture World 6 (1910), p. 987)